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laPROF-Pressekonferenz zur Lage der Freien Darstellenden Künste in Hessen

Vor der Winterpause hat laPROF eine Pressekonferenz abgehalten, um auf erste Verhandlungsergebnisse zwischen CDU und SPD für die Regierungsbildung in Hessen zu reagieren. Während in Wiesbaden CDU und SPD Koalitionsverhandlungen führten, kämpften Freie Theaterhäuser in ganz Hessen ums Überleben, da Kürzungen drohen oder Fördermittel bei gestiegenen Kosten nicht ausreichen. Dabei wollten wir klarmachen, wie wichtig die Arbeit der Freien Darstellenden Künste für Demokratie, Innovation in unserer Gesellschaft ist und welchen wichtigen Effekt sie für ländliche und nichturbane Orte hat. Dabei waren Theaterschaffende aus Marburg, Darmstadt, Wiesbaden und Steinau vertreten.

Hier unsere Presseerklärung im Wortlaut:

 

Freie Darstellende Künste – eine Investition in die Zukunft der Demokratie

Reaktion von laPROF auf das Eckwertepapier der aktuellen Koalitionsverhandlungen in Hessen

Das Eckpunktepapier als Ergebnis der Sondierungen zur neuen hessischen Landesregierung zwischen CDU und SPD enthält viele wichtige Themen. Unter anderem geht es um Innovation, Demokratie und ländliche Räume. Erstaunlich bleibt, dass die Rolle der Kultur bei diesen Themen überhaupt nicht erwähnt wird. Dabei kann explizit die Arbeit der Freien Darstellenden Künste hier hilfreich unterstützen. Nachdem in den letzten Jahren immer wieder betont wurde, wie wichtig die Kultur für die Gesellschaft sei, fragt man sich bei der Lektüre des Eckpunktepapiers: Haben CDU und SPD die Kultur vergessen?

  • Die Produktionen der Freien Darstellenden Künste sind nicht nur künstlerisch innovativ und reflektieren gesellschaftliche Themen. Sie bieten einem breiten Publikum die Möglichkeit, sich über gesellschaftliche und wissenschaftliche Innnovationen auf Augenhöhe zu informieren und unterschiedliche Haltungen kennenzulernen.
  • Im Bereich kultureller Bildung werden Kinder und Jugendliche über die Begegnung mit den Freien Darstellenden Künsten partizipativ eingebunden. Das ist eine Möglichkeit, die Lebenswelt junger Menschen mit gesellschaftlichen Entwicklungen und ästhetischen Innovationen in Berührung zu bringen und Demokratiefähigkeit zu üben.
  • Kulturorte wie Theaterhäuser jenseits urbaner Zentren sind immer auch Orte, die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Begegnung und Diskurs ermöglichen, die Widersprüche und Komplexität aushalten und neue Visionen für unsere, sich veränderte Welt entwickeln und dabei die Menschen mitnehmen und oft sogar beteiligen. Kurz gesagt: Theaterorte sind Orte gelebter Demokratie für alle, vom Kinder- bis zum Rentenalter.
  • Auch in den ländlichen Räumen leisten die Freien Darstellenden Künste seit Jahren eine kulturelle Grundversorgung, z.B. durch Gastspiele, die neben kleinen Theaterorten auch in Kitas, Kindergärten, Schulen, aber auch Dorfgemeinschaftshäuser stattfinden.

Diese wichtigen Leistungen der Freien Darstellenden Künste sind derzeit gefährdet. Viele Kommunen wollen ihre Förderung reduzieren bzw. nicht an die real vorhandenen Anforderungen anpassen. Konkret sind Theaterhäuser in Wiesbaden, Marburg und Steinau an der Straße existenziell gefährdet. Auch die Mittel des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst im Bereich Theaterförderung reichen bei weitem nicht aus. Seit der letzten Förderrunde müssen viele Ensembles, Kollektive und Gruppen mit deutlich weniger oder gar keiner Förderung auskommen. Auch in einer Großstadt wie Frankfurt beenden erfolgreiche Künstler:innen ihre Arbeit, da es Ihnen nicht möglich ist, so eine Familie zu ernähren. Dabei lag die Hoffnung im Raum, Hessen würde über den Masterplan Kultur Verantwortung übernehmen und weitere Investitionen in Aussicht stellen.

Damit die Freie Darstellende Kunst ihre wichtige Rolle im Sinne von Demokratie, Innovation und ländlichen Räumen zur vollen Entfaltung bringen kann, ist es wichtig und notwendig, dass die neue Landesregierung in die Zukunft der Freien Darstellenden Kunst investiert:

  • Ein neues Fördergesetz für Hessen: Wie in vielen Bundesländern und Kommunen vorhanden braucht auch Hessen endlich eine mehrjährige Förderung, die eine überjährige Nutzung von Fördermitteln möglich macht. Der derzeit absurd lange Prozess zwischen Antragsstellung und Bewilligung muss deutlich verkürzt werden, die Förderergebnisse müssen transparent veröffentlicht werden. Die Freien Darstellenden Künste brauchen zudem einen eigenen, klar umrissenen Haushaltstopf. Die Honoraruntergrenze als künstlerischer Mindestlohn muss Basis von Förderentscheiden werden. Um zur Entbürokratisierung beizutragen könnte eine Mittelverteilung an eine andere Instanz ausgelagert werden, wie z.B. beim „Modell Soziokultur“.
  • Die in den letzten Jahren erfolgreich praktizierte partnerschaftliche Einbindung von laPROF und anderen Verbänden in kulturpolitische Entscheidungsgremien muss fortgeführt werden. Die Idee eines Hessischen Kulturrates wird begrüßt, die Kulturberatung der Verbände muss weitergeführt und gestärkt werden. Dabei sollten alle Verbände gleichermaßen an der Finanzierung beteiligt werden. laPROF braucht eine institutionelle Förderung, die den tatsächlichen Bedarf abdeckt, sodass wir gemeinsam mit der neuen Landesregierung und unseren Kolleg:innen in den anderen Verbänden die Kulturlandschaft Hessens gestalten können.
  • Künstlerische Produktionen und Spielstätten in ländlichen und nichturbanen Räumen müssen eine besondere Basis, Grundsicherung Der Ausbau von Gastspielen von Freier Darstellender Kunst für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist dabei genauso notwendig, wie die gezielte Unterstützung von Produktionen, Spielstätten und Residenzen an solchen Orten. Eine erste hessische Landesakademie für die Darstellenden Künste in Nordhessen könnte eine geeignete Institution sein, um Kompetenzen zu bündeln und zu entwickeln.
  • Die Freien Darstellenden Künste brauchen endlich einen eigenen gut ausgestatteten Haushaltstopf, um zukünftig Honoraruntergrenzen für die künstlerische Arbeit zu ermöglichen. Darin enthalten, neben der Produktions-, Festival- und Gastspielförderung, eine Mehrjahresförderung, die bessere Finanzierung von Darstellender Kunst in ländlichen Räumen und die Verbesserung der institutionellen Förderung von laPROF. Insgesamt wäre eine Erhöhung von mindestens 1,5 Millionen Euro notwendig.

Jeder in die Kultur investierte Euro ist eine Investition in die Zukunft der Demokratie! Wer Kultur sterben lässt, darf sich nicht wundern, wenn sich vielerorts Populismus und Egoismus durchsetzen, statt einem Geist des Gemeinwohls. Wir hoffen, dass die Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und SPD diese Impulse aufnehmen, damit wir gemeinsam die nächsten 5 Jahre die Freien Darstellenden Künste in Hessen im Sinne von Demokratie und Innovation und unter besserer Einbeziehung ländlicher und nichturbaner Räume voranbringen können.

 

Reaktionen:

Artikel in der FAZ über unsere Pressekonferenz: Hier

Artikel in der Frankfurter Rundschau über unsere Pressekonferenz: Hier

HR-Interview mit laPROF-Geschäftsführer

Jan Deck im Rahmen der Sendung „Kann das weg? Warum wir Kunst brauchen“: Hier

 

Bild: Theatersaal Stalburg Frankfurt. Foto: Stalburg.

 

 

Autor

Jan Deck ist Politikwissenschaftler, lebt in Frankfurt/Main und arbeitet als freier Dramaturg, Regisseur und Kurator. Seit über zehn Jahren arbeitet er für den hessischen Landesverband laPROF, seine Schwerpunkte sind Lobbyarbeit, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Veranstaltungen. Er ist Mitglied verschiedener Juries und Beiräte, kuratiert Tagungen, Festivals und Labore. Als Herausgeber und Autor beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten von Kunst und Gesellschaft.