Kulturpolitik

Rückschritt in Theaterförderung – Kritik von ID_Frankfurt und laPROF an Vergabe der 2- und 4- Jahresförderung

Vergabeverfahren offenbart Rückschritt in der Theaterförderung. Offener Brief der Interessenverbände ID_Frankfurt e.V. und laPROF Hessen e.V. zum Vergabeverfahren der 2- und 4-Jahresförderung durch das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main

Sehr lange wurden die Frankfurter Theaterschaffenden im Ungewissen über ihre Förderung ab dem 1. Januar 2020 belassen. Erst zum 23. August 2019 verschickte das Kulturdezernat

den Vergabevorschlag des Magistrats für die 2- und 4-Jahresförderung an die Antragstellenden. Die Bescheide über die Einzelprojektförderung ab Januar 2020 stehen weiterhin aus. ID_Frankfurt e.V. und laPROF Hessen e.V. fordern das Kulturdezernat auf, zu folgenden Kritikpunkten Stellung zu beziehen:

1) Unzumutbare Dauer des Verfahrens

Warum sind auch nach 4-jähriger Einführung des neuen Förderinstruments die administrativen Verfahren so langwierig, dass freie Theater und Theaterschaffende erst vier Monate vor Förderbeginn über ihre professionelle Zukunft informiert werden? Bei einer Antragsfrist im Februar des Vorjahres ist eine 6-monatige Bearbeitungszeit

unzumutbar. Nicht nur für die berufliche Planung der Antragsstellenden, sondern auch, um eine professionelle Vorbereitung und Durchführung der beantragten Projekte und Programme zu garantieren.

2) Mangelnde Transparenz der Förderentscheidungen und ihrer Grundlagen

Die Pressemitteilung des Kulturdezernats vom 23. August lässt viele Fragen offen: Sie gibt weder Informationen darüber, wie viele Theater und Theaterschaffende sich für eine mehrjährige Förderung beworben haben, noch wie hoch das beantragte Fördervolumen insgesamt war.

Außerdem fehlen die Förderempfehlungen des Theaterbeirats. Im Jahr 2015 wurde ein fünfköpfiger Theaterbeirat berufen, um der Mittelvergabe eine qualitative Analyse der Theaterszene in Frankfurt zu Grunde zu legen. Während noch bei der letzten Vergabe die tatsächlichen Fördersummen mit den

Förderempfehlungen des Theaterbeirats verglichen werden konnten, lassen sich etwaige Differenzen diesmal nicht mehr nachvollziehen. Die Liste zeigt lediglich einen anscheinend letztgültigen Betrag. ID_Frankfurt und laPROF, die sich jahrelang für die

Einsetzung des Theaterbeirats stark gemacht haben und seine Arbeit an qualitativen Kriterien sehr begrüßen, müssen hier leider einen erheblichen Rückschritt in Sachen Transparenz konstatieren. Die Information über die Förderempfehlung würde ein

Minimum an Nachvollziehbarkeit der Diskussionen des Theaterbeirats ermöglichen. Für die Weiterentwicklung der Freien Theaterszene Frankfurts könnte sogar eine umfangreichere Veröffentlichung der Analysen des Theaterbeirats ein bisher ungenutztes wertvolles Instrument sein.

3) Unausgesprochene Kürzung der Einzelprojektförderung

Der Vergabevorschlag des Magistrats lässt allein anhand der Zahlen erkennen, dass 155.000 Euro aus der bisherigen Einzelprojektförderung in die die 2- bis 4-Jahresförderung verschoben wurden. Die damit offensichtliche Finanzierungslücke im Bereich der Mehrjahresförderung wird zu Lasten der Einzelprojektförderung rein kosmetisch ausgeglichen. Obwohl diese stillschweigende Kürzung der Einzelprojektförderung von 515.000 Euro auf nunmehr 360.000 Euro erhebliche

Einschnitte für die Produktionsmöglichkeiten der Freien Szene bedeutet, liegt dazu bisher keinerlei Begründung des Kulturdezernats vor. Zudem wurden alle Theaterschaffenden, die sich um die Mehrjahresförderung ab 2020 beworben haben, noch im laufenden Verfahren sehr kurzfristig vom Kulturamt dazu aufgefordert, „sicherheitshalber“ zum 1.7.2019 einen Antrag auf Einzelprojektförderung für das erste Halbjahr 2020 einzureichen. Vorausgesetzt,dass etliche Anträge auf Mehrjahresförderung nicht berücksichtigt wurden, ist schon jetzt mit einem erheblichen Mehrbedarf im Bereich Einzelprojektförderung zu rechnen. Es ist deshalb unverantwortlich, den Fehlbetrag von 155.000 Euro stillschweigend aus der Einzelprojektförderung zu kürzen, anstatt zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Die für die künstlerische Produktion in Frankfurt so elementare Einzelprojektförderung wird damit als Instrument erheblich geschwächt, anstatt sie – wie es für eine Weiterentwicklung der Szene unbedingt geboten wäre – sukzessive auszubauen.

4) Defizit bei der Ausdifferenzierung der Förderinstrumente

Die Veröffentlichung des Vergabevorschlags des Magistrats und die benannte Verschiebung der Fördermittel zeigen, dass sich ein bereits in der Vergangenheit mehrfach kritisiertes Problem immer weiter zuspitzt: Es fehlt eine umsichtige

Ausdifferenzierung der Förderinstrumente. Um Mehrjahresförderung bewerben sich sowohl feste Spielstätten wie auch freie Gruppen und Einzelkünstler*innen. Auf diese Weise werden institutionelle Förderung und Konzeptionsförderung miteinander vermischt und die Antragstellenden treten in einen ungleichen Konkurrenzkampf, da die jeweils individuell sehr unterschiedlichen

Bedürfnisse und Anforderungen nicht miteinander zu vergleichen sind.

Fazit:

Angesichts dieser erheblichen Kritikpunkte und Rückschritte innerhalb des hoffnungsvoll neu

begonnenen Vergabeverfahrens seit 2015, halten ID_Frankfurt und laPROF eine Evaluierung des aktuellen Standes der Theaterförderung für unabdingbar. Die Impulse, die durch die Evaluierung der Theaterszene 2011/2012 und die ersten Arbeitsjahre des Theaterbeirats für eine ästhetische und programmatische Entwicklung der Frankfurter Szene gesetzt wurden, drohen ansonsten zu verwässern. Dies wird – wenn nicht schnell der

begonnene Pfad wiederaufgenommen wird – in absehbarer Zeit zur weiteren Prekarisierung der Freien Szene führen und damit zwangsläufig auch zur vehementen Beschneidung ihres ästhetischen Potentials. Zugespitzt wird diese Situation dadurch, dass das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst nach wie vor keine substanzielle Förderung für die freien Tanz-, Performance- und Theaterschaffenden bereitstellt. Zu einer ernsthaften

Diskussion über die Entwicklung der Frankfurter Freien Szene würde zudem die Frage nach der ästhetischen Ausrichtung der freien Spielstätten und der Vergabe ihrer Leitungspositionen genauso gehören, wie der in den vergangenen Monaten intensiv diskutierte Vorschlag eines jährlichen Festivals für die Frankfurter Freien Darstellenden Künste.

Foto: Bild von Jürgen Rübig auf Pixabay

 

Autor

Jan Deck ist Politikwissenschaftler, lebt in Frankfurt/Main und arbeitet als freier Dramaturg, Regisseur und Kurator. Seit über zehn Jahren arbeitet er für den hessischen Landesverband laPROF, seine Schwerpunkte sind Lobbyarbeit, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Veranstaltungen. Er ist Mitglied verschiedener Juries und Beiräte, kuratiert Tagungen, Festivals und Labore. Als Herausgeber und Autor beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten von Kunst und Gesellschaft.